Windows Historie, Teil 2 – Das Plug-and-Play-Betriebssystem
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Mit Windows 95 verschmolz Microsoft MS-DOS und Windows zu einem Betriebssystem - und löste eine kleine PC-Revolution aus. Teil 2 der Windows-Retrospektive widmet sich dem Durchbruch von Windows als meist genutztes OS – bis hin zum ersten Flop der Familie.

Sieht man einmal von Windows 3.1 NT ab – mit dem Microsoft den Grundstein für eine vollkommen eigene Betriebssystem-Nebenfamilie legte – waren bis 1994 alle Versionen von Windows „nur“ grafische Nutzeroberflächen, für deren Start MS-DOS notwendig war. Doch gerade Anfang der Neunziger Jahre geriet Bewegung in den PC-Markt: Preise für Prozessoren, Arbeitsspeicher und Grafikkarten fielen merklich, was eine grafische Benutzeroberfläche deutlich attraktiver machte.
Bereits bei Windows 3 hatte sich dies bemerkbar gemacht. Viele Softwarefirmen entwickelten Programme, die nicht auf DOS- sondern Fenster-Nutzung zurechtgeschnitten war. Darum wagte Microsoft den entscheidenden Schritt und publizierte Windows 4.00.950 – besser bekannt als Windows 95 – offiziell als eigenständiges Betriebssystem.
Windows 95: Die Plug&Play-Revolution
Schon zum Release von Windows 3.0 hatte Microsoft eine groß angelegte Medienkampagne gestartet, doch Windows 95 sollte diese in den Schatten stellen. Die „Start me Up!“-Kampagne wurde begleitet von Werbespots, die mit dem gleichnamigen Song der Rolling Stones unterlegt war. Für die Komposition des achtsekündigen, eingängigen Start-Jingles des Betriebssystems wurde eigens Musikproduzent Brian Eno engagiert. Der weltweite Launch der englischsprachigen Fassung am 24. August 1995 (die deutsche Version folgte am 5. September desselben Jahres) wurde von zahlreichen Nachrichtenmeldungen begleitet. Insgesamt steckte Microsoft geschätzt 200 Millionen US-Dollar in die Vermarktung des Betriebssystems. Mit Erfolg: Alleine in den ersten drei Monaten verkaufte Microsoft 45 Millionen Exemplare von Windows 95 – bereits vorinstallierte OEM-Versionen nicht mit eingerechnet.
Offiziell hatte Microsoft mit dem Launch von Windows 95 seine Entwicklung von MS-DOS eingestellt. Das war allerdings nur die halbe Wahrheit: Zwar war MS-DOS 6.22 die letzte eigenständige Version des Kommandozeilen-orientierten Betriebssystems, die Microsoft vertrieb.
Allerdings baute Windows 95 weiterhin auf DOS auf: MS-DOS 7 war ein integrierter Bestandteil des Betriebssystems, der auf Wunsch auch eigenständig geladen werden konnte und ohne den Windows 95 nicht lauffähig war. Allerdings wurde MS-DOS nicht mehr eigenständig vertrieben: Windows und DOS waren effektiv zu einer Einheit verschmolzen. Weiterhin auf die MS-DOS-Architektur aufzubauen hatte außerdem den Vorteil, dass Windows 95 weiterhin zu einem Großteil der bereits existierenden Software kompatibel war – auch wenn für manche alten Programme eigens der DOS-Modus gestartet werden musste.
Zudem brachte Windows 95 durch den Zusammenschluss die bereits aus Windows 3.11 for Workgroups bekannte Netzwerkunterstützung mit ein – und das TCP/IP-Protokoll, dass für viele PC-Besitzer erstmals einen vergleichsweise unkomplizierten Zugang zum Internet ermöglichte.
Ansonsten wartete Windows 95, das sowohl als 16- als auch als 32Bit-Betriebssystem fungierte, mit einem komplett überholten grafischen Design auf. Dieses sollte – mit wenigen Ausnahmen – auch in Zukunft die Grundlage für die folgenden Versionen des Betriebssystems bilden. Der in Windows 2 erstmals eingeführte Programm-Manager wurde in ein eigenes Start-Menü überführt, dass – symbolisiert durch das eigens geschaffene Windows-Logo – sich im linken unteren Rand der Taskleiste befand und per Mausklick oder einer eigenen Windows-Taste auf der Tastatur direkt aufgerufen werden konnte. Als Microsoft das klassische Startmenü in Windows 8 abschaffte, stieß dies auf derart starke Ablehnung, dass sich das Unternehmen gezwungen sah, dieses in Windows 10 wieder zu integrieren – so ikonisch war die Programmübersicht des Betriebssystems bereits geworden.
Generell wurde die Benutzerführung im neuen Betriebssystem, nun komplett auf Mausbedienung ausgerichtet, verbessert. Aus dem Datei-Manager wurde der „Windows Explorer“, der das Navigieren durch Menüs durch eine Übersichtliche Gestaltung und praktische Navigations-Buttons an der Oberseite der Fenster deutlich einfacher gestaltete.
Viel wichtiger war allerdings die verbesserte Hardwareverwaltung des Systems: Eine Technik namens Plug&Play ermöglichte es dem Betriebssystem, neue Hardware wie Festplatten oder Erweiterungskarten selbsttätig zu erkennen. Unter DOS mussten Benutzer bislang die gewünschten technischen Schnittstellen wie Interrupts oder Adressräume von Hand festlegen, Windows 95 nahm ihm diese Mühen nun ab – vorausgesetzt, die Hardware unterstützte Plug&Play. Nahmen Hersteller die Technik anfänglich etwas zögerlich an, sollte sich das Prinzip schon bald als Standard etablieren. Die Systemanforderungen waren 1995 mit einem 386DX-Prozessor, 4 Mbyte RAM und 55 Mbyte Festplattenspeicher sogar vergleichsweise moderat. Windows 95 unterstützte auch erstmals Dateinamen, die länger als das aus DOS bekannte 8+3-Zeichen-Format waren.
So ganz ohne Macken war Windows 95 allerdings nicht. Gerade die erste Version galt als instabil. Windows-Nutzer waren meist schon recht bald vertraut mit dem Blue Screen, der immer dann auftrat, wenn das Betriebssystem mit einem kritischen Fehler abstürzte. Auch der Festplattenbedarf erschien vielen PC-Nutzern ungewohnt hoch. Im Februar 1996 veröffentlichte Microsoft mit dem nur für Neu-PCs erhältlichem Windows 95A sowie einem Service Pack, dass den Ursprungs-Release auf diesen Stand aktualisierte, eine nachgebesserte Version des Systems, das zudem Scripting-Unterstützung für DFÜ-Netzwerke hinzufügte.
Das Service Release 2, auch als Windows 95B bekannt, bot zudem erstmals Unterstützung für das FAT32-Dateisystem (und damit für Festplattenpartitionen, die größer als 2GByte sind) sowie für USB-Schnittstellen und AGP-Grafikkarten.
Das dritte Update bzw. Windows 95C integrierte schließlich den Browser Internet Explorer 4.0 direkt in den Windows Explorer: Erstmals war es möglich, eine URL direkt in ein Windows-Fenster einzugeben und somit umgehend ins Internet zu gehen. Beim Nachfolger sollte diese Praxis zum Standard werden – was Microsoft zwar im Bezug auf Internet-Marktanteile einen gewaltigen Vorteil brachte, aber beinahe auch fatale Konsequenzen für das Unternehmen nach sich zog.
Windows 98: Neuer Schwerpunkt Internet
Wie es der Name schon andeutete, folgte im Jahr 1998 der nominelle Nachfolger zum populären Windows 95. Bis dato war dies die längste Pause, die Microsoft zwischen zwei Betriebssystemen eingelegt hatte (sieht man einmal von neuen Releases in der NT-Familie ab).
Rein optisch gesehen änderte sich im Vergleich zum Vorgänger recht wenig – wer die Service Releases schon kannte, war auch mit den meisten wesentlichen Neuerungen von Windows 98 vertraut. Tatsächlich lief quasi unter der Haube ein nur leicht aktualisierter Kernel. Trug Windows 95C noch die Versionsnummer 4.00.1214c, war Windows 98 bei Release Version 4.10.1998. Allerdings verlief der Verkaufsstart von Windows 98 zunächst noch etwas holprig. Ein Video von der Produktpräsentation auf der CES 1998 wurde bald weltweit bekannt, als das Betriebssystem bei der Vorstellung der verbesserten Plug & Play – Eigenschaften vor den Augen von Firmengründer Bill Gates mit einem Blue Screen abstürzte.
Eine wesentliche Neuerung in Windows 98, die damals seiner Zeit allerdings wohl noch zu weit voraus war, war der sogenannte „Active Desktop“. Anstelle einer Bilddatei konnte man Windows 98 für den Desktop-Hintergrund auch eine HTML Webseite festlegen, die auch Links und andere aktive Elemente enthalten durfte.
Zudem enthielt das Betriebssystem eine Channel-Leiste, die permanent mit dem Internet verbunden war und so den Nutzer durchgehend mit Nachrichten versorgen konnte. Was heutzutage mit Smartphones und Widgets recht gängig ist, hatte 1998 allerdings noch mit zwei schwerwiegenden Problemen zu kämpfen. Zum einen waren durchgängige Internet-Flatrates in dieser Zeit nicht weit verbreitet. Internetverbindungen waren noch recht teuer, viele Nutzer gingen noch mit Dial-Up-Verbindungen online, so dass jede Minute Geld kostete. Zum anderen kosteten die Features zusätzliche Rechenleistung und Arbeitsspeicherbedarf. In der Regel wurden diese Elemente daher wenig genutzt.
Mit der Mitte 1999 veröffentlichen Zweiten Edition, Windows 98SE (für „Second Edition“), sorgte Microsoft dann allerdings für den bislang stabilsten Windows-Release, der eine Reihe wesentlicher Verbesserungen mit sich brachte. DSL-Modems und Firewire-Geräte wurden standardmäßig unterstützt, Schlüsselfeatures wie DirectX, der Media Player oder der Internet Explorer (jetzt in Version 5.0) erhielten umfangreiche Upgrades. Als einzig echte neue Funktion trat allerdings das Internet Connection Sharing auf, das es Windows-Nutzern erstmals erlaubte, die Internetverbindung des Rechners mit anderen PCs im gleichen Netzwerk zu teilen.
Windows 98 war das letzte Microsoft-Betriebssystem, das noch auf Disketten ausgeliefert wurde. Spätestens ab Windows 98SE war das OS so umfangreich geworden, dass es von 1999 an nur noch als CD bzw. DVD erschien.
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