Signifikantes Update nach zwei Jahren Raspberry Pi OS erhält neuen Kernel
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Zwei Jahre nach dem letzten Kernel-Upgrade hat Raspberry Pi OS ein signifikantes Update erhalten. Der Umstieg von Debian „Buster“ auf Debian „Bullseye“ bring zahlreiche wesentliche Verbesserungen mit sich, wie einfacheres Übertakten und vielfältigere Grafik- und Kameraoptionen.

Als die Raspberry Pi Foundation Ende 2019 das Raspberry Pi Modell 4B ankündigte, erfolgte dies zeitgleich mit einem wesentlichen Update des Betriebssysems. Neben der Umbenennung von Raspbian in Raspberry Pi OS stützte sich das OS des Einplatinenrechner mit Version 4.19 fortan auf den Debian-Kernels „Buster“ (Debian-Kernel 10). Dies brachte in erster Linie zahlreiche Komfort- und Usability-Funktionen, aber auch eine bessere Unterstützung von 64-Bit-Anwendungen und Leistungsoptimierungen mit sich. Danach hielten sich die Updates, abgesehen von kleineren Hotfixes, erst einmal wieder in Grenzen.
Nun, zwei Jahre später, hat das Raspberry Pi OS erstmals wieder ein signifikantes Update erhalten. Das Betriebssystem stützt sich in Version 5.10 erstmals auf den Debian-11-Kernel, Debian „Bullseye“ (5.10). Auch wenn die Raspberry Pi Foundation hinsichtlich der Benutzeroberfläche wenige Änderungen vorgenommen hat, bringt das OS-Upgrade „unter der Haube“ einige wesentliche Änderungen mit sich, vor allem was Geschwindigkeit und Grafik-Performanz betrifft.
Verbesserte Grafik- und Display-Funktionen
Mit einem Raspberry Pi 4B war es unter dem Buster-Kernel bereits prinzipiell möglich, KMS (Kernel-Mode setting) zu verwenden. Diese Einstellung war rein optional und als Experiment gedacht, um zu testen, wie gut sich Display-APIs aus Standard-Linux-Distributionen auf einem Raspberry Pi anwenden lassen. Mit Version 5.10 des Raspberry Pi OS ist diese Einstellung nun zum Systemstandard geworden. Das bedeutet, dass jede Anwendung, die mit den Standard-Linux-Display-APIs geschrieben wurde, auch ohne weitere Anpassungen auf einem Raspberry Pi laufen sollte.
Auch die Treiber für Kameras wurden umgestellt und stützen sich nun auf die libcamera-API, die standardmäßig in Debian enthalten ist. Das sollte es leichter machen, Kameramodule von Drittanbietern auf dem Einplatinenrechner zu verwenden, statt auf spezielle Modelle eingeschränkt zu sein.
Jedes Raspberry Pi 4 lässt sich nun prinzipiell auf 1,8 GHz takten
Eine weitere Veränderung war auf den ersten Blick weniger offensichtlich. Mit dem Raspberry Pi 400 stellte die Raspberry Pi Foundation im vergangenen Jahr erstmals eine Version des SBC vor, dass auf 1,8 GHz getaktet war. Die SoCs der Raspberry Pi 4 Modelle laufen dagegen mit 1,5 GHz.
Mit Debian Bullseye ist es im Raspberry Pi 5.10 allerdings nun möglich, jedes neu erworbene auf 1,5 GHz getaktete Raspberry Pi 4 Modell auf einfachem Weg zu übertakten und ebenfalls mit 1,8 GHz zu betreiben. Dazu reicht es, in die Datei config.txt folgende Zeile einzufügen:
arm_freq=1800
Beim Übertakten des Raspberry Pi 4 ist allerdings, je nach Alter des SBC, ein wenig Vorsicht geboten: Das Raspberry Pi 400 enthält eine leichte Revision des SoC Broadcom BCM2700, der einige Verbesserungen speziell im intelligenten Power Management enthält - was für die höheren Taktraten wichtig ist. Seit Mitte diesen Jahres besitzt jedes neu gefertigte Raspberry Pi 4 dieselbe Revision des SoC - und lässt sich so prinzipiell ohne negative Auswirkungen auch mit 1,8 GHz betreiben. Der neue Chip lässt sich an der Endung „C0T“ erkennen alternativ können Anwender auch nach drei schwarzen Punkten oberhalb des Netzeingangs und dem HDMI 0 Anschluss Ausschau halten. Diese Punkte weisen darauf hin, dass das neue Schaltnetzteil vorhanden ist.
Ältere Modelle sollten sich mit dieser Methode auch übertakten lassen, allerdings könnte dies zu Schwierigkeiten mit der Systemstabilität führen. In einem Blogbeitrag der Community wird dazu geraten, die Taktraten nur in 50er-Schritten zu erhöhen und zu testen, wie stabil das System damit läuft.
Kosmetische und Usability-Verbesserungen
Alle Desktop-Komponenten und Anwendungen verwenden jetzt die Version 3 des GTK+-Benutzeroberflächen-Toolkits. Diese technische Änderung wurde vorgenommen, ohne das Erscheinungsbild der Benutzeroberfläche auf dem Bildschirm zu beeinträchtigen. Am augenfälligsten ist das neue Erscheinungsbild der Benutzeroberfläche mit Registerkarten, so Raspberry Pi.
Der Dateimanager wurde dahingehend vereinfacht, dass es nur noch Schaltflächen für Symbole und Listen gibt, während andere Optionen über das Menü Ansicht zugänglich sind.
Andere Neuerungen beziehen sich in erster Linie auf den Desktop des Raspberry Pi OS. Auch wenn sich auf den ersten Blick optisch an der Benutzeroberfläche verändert hat, sind einige kleinere Komfortfunktionen hinzugekommen, wie beispielsweise Benachrichtigungen. So erhalten Anwender nun einen Hinweis auf dem Bildschirm angezeigt, wenn ein Software-Update vorliegt. „Da täglich Sicherheitsbedrohungen und Schwachstellen in Betriebssystemen gefunden und behoben werden, war es noch nie so wichtig, seinen Computer auf dem neuesten Stand zu halten. Hoffentlich ist das jetzt auf einem Raspberry Pi so einfach wie auf jedem anderen Computer“, begründet die Raspberry Pi Foundation diesen Schritt.
Hinzu kommen weitere Benachrichtigungen, die bereits vom Arbeiten mit Desktop-PCs und deren Betriebssystemen gewohnt sind, z. B. beim Entfernen eines USB-Sticks, wenn die Stromversorgung niedrig ist oder die Firmware einen Fehler erkennt. Die Hinweise werden allesamt in der oberen rechten Ecke des Bildschirms auf konsistente Weise angezeigt und nach einer Weile automatisch ausgeblendet.
Der Fenstermanager ist ebenfalls neu und verwendet nun ein System namens „Mutter“ statt dem bisher eingesetzten „Openbox“. Mutter ist ein Compositing-Fenstermanager, bei dem einige visuelle Verbesserungen an der Bildschirmoberfläche vorgenommen wurden. Dazu zählen etwa Schattierungen hinter den Fenstern und Animationen beim Öffnen und Schließen von Fenstern - Spielereien, die Desktop-Nutzen seit Windows 7 gewohnt sind. Diese optischen Bereicherungen gehen allerdings zu Lasten der Rechen- und Speicherauslastung: Wer Mutter einsetzen will, benötigt ein Raspberry Pi Modell mit mindestens 2 GByte Arbeitsspeicher. Auf Raspberry Pis mit weniger als 2 GByte wird weiterhin der ältere Openbox-Fenstermanager verwendet. Es stellt sich die Frage, wie essentiell diese optischen Aufschönerungen für Raspberry Pi Nutzer wirklich sein dürften.
Bei Umstieg auf Kernel-Version 5 Raspberry Pi OS besser neu aufsetzen
Grundsätzlich lässt sich das Betriebssystem auf einem bereits eingerichteten Raspberry Pi leicht aktualisieren. Dafür ist in der Linux-Konsole nur der folgende Befehl notwendig:
sudo apt update ; sudo apt full-upgrade
Allerdings rät die Raspberry Pi Foundation bei einem Umstieg von Raspberry Pi OS Version 5 auf den in Version 5.10 verwendeten Kernel von diesem Schritt ab. „Debian-Hauptversions-Upgrades enthalten eine Menge Änderungen,“ heißt es seitens der Foundation. „Es ist sehr leicht möglich, dass eine kleine Anpassung, die irgendwo im Betriebssystem vorgenommen wurde, mit einer von ihnen persönlich vorgenommenen Änderung inkompatibel ist.“ Das Resultat könnte das System zerschießen und mit „einem Raspberry Pi enden, der nicht mehr startet.“
Die Raspberry Pi Foundation empfiehlt daher, lieber ein neues Image von Raspberry Pi OS herunterzuladen, darauf alle Anwendungen neu zu installieren und zuvor alle wichtigen Daten vom alten verwendeten Image händisch zu migrieren.
Im Übrigen steht das nächste OS-Update bereits in den Startlöchern: Version 5.16 soll eine native Mainline-Unterstützung des Raspberry Pi Compute Module 4 enthalten.
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Ubuntu 20.10 auf Raspberry Pi mit vollständigem Linux-Desktop
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Windows 10 auf einem Raspberry Pi 4 installieren
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Echtzeit mit dem Raspberry Pi und Linux PREEMPT_RT
Die Namen der Debian-Kernel stützen sich im Übrigen auf Namen von Charakteren aus der Filmreihe Toy Story. „Bullseye“ ist der Name des Pferds von Protagonist Woody. Frühere Kernel-Versionen, die auch von Raspberry Pi OS verwendet wurden, hießen „Buster“ (Ein Spielzeugdackel aus Toy Story 2) oder „Wheezy“ (Ein Pinguin).
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