Nutzfahrzeuge und Elektromobilität – Alles gut geladen?

Autor / Redakteur: B.Eng. Jonas Leserer * / Sebastian Gerstl |

Elektrische PKWs, Busse oder LKWs haben gemeinsame Probleme: Reichweite, Ladegeschwindigkeit und Ladeinfrastruktur. Wichtige Schritte sind gemacht. Doch wie funktioniert das Laden im Detail?

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Für den schnellen Erfolg der Elektromobilität ist neben der Emissionsminimierung die Interoperabilität aller Fahrzeuge mit den unterschiedlichen Anbietern von Ladeinfrastruktur ein wichtiger Baustein.
Für den schnellen Erfolg der Elektromobilität ist neben der Emissionsminimierung die Interoperabilität aller Fahrzeuge mit den unterschiedlichen Anbietern von Ladeinfrastruktur ein wichtiger Baustein.
(Bild: Vector Informatik)

Die Deutsche Post möchte ihre Kurzstreckenflotte mittelfristig komplett auf elektrisch betriebene Fahrzeuge umstellen und hat sich als Partner die Streetscooter GmbH gesichert. Dies ist nur ein Beispiel, wie sich Firmen für zukünftige Aufgaben rüsten. Doch nicht nur Konzerne richten ihren Blick auf die Elektromobilität, auch Kommunen stehen vor einer großen Herausforderung.

In vielen Städten werden seit Jahren die Abgasgrenzwerte nicht eingehalten und daher Fahrverbote diskutiert. Die Folgen von Fahrverboten wären weitreichend: Der öffentliche Nahverkehr dürfte keine Personen mehr befördern und Geschäfte würden nicht mehr beliefert. Um die Umwelt zu schonen und mit gutem Beispiel voranzugehen, haben die Niederlande sich selbst auferlegt, ab 2020 nur noch Elektrobusse für den Stadtverkehr zuzulassen.

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Die niederländische Stadt Eindhoven betreibt aktuell circa 50 elektrische Gelenkbusse und möchte diese Flotte in Zukunft noch weiter ausbauen. Kommunen in Deutschland ziehen nach: In Hamburg sind bereits Elektro-Gelenkbusse im Einsatz. Bis 2020 sollen bis zu 60 Weitere folgen. Und in der historischen Altstadt von Regensburg verkehren bereits kleine Stromer zur Personenbeförderung.

Herausforderungen der Elektromobilität

Um die hohe Nachfrage nach elektrischen Nutzfahrzeugen, wie beispielsweise Bussen, befriedigen zu können, sind die Hersteller im Zugzwang. Studien und Prototypen sind bereits vorhanden, doch der Markt fordert Fahrzeuge für den täglichen Einsatz. Diese müssen den Anforderungen an Reichweite, Fahrkomfort und Bedienung gerecht werden und so zuverlässig funktionieren wie Verkehrsmittel mit konventionellem Antrieb. Genau darin besteht die Herausforderung der Elektromobilität. Geht zum Beispiel bei einem Dieselfahrzeug der Kraftstoff zur Neige, kann der Fahrer an jeder Tankstelle schnell und unkompliziert nachtanken. Die Reichweiten von E-Fahrzeugen sind aktuell noch sehr begrenzt und die Ladeinfrastruktur ist noch dürftig. Doch wer stellt sicher, dass ein Fahrzeug auch an jeder Ladesäule aufgeladen werden kann?

Darum kümmern sich Gremien, welche das standardisierte Laden unter Berücksichtigung markttypischer Gegebenheiten spezifizieren. Europa und Nordamerika folgen dem Standard Combined Charging System, während China auf GB/T 27930 und Japan auf CHAdeMO setzen (Bild 1). Die größten Unterschiede zwischen den Standards sind die Kombination aus Stecker und Inlet, die zugrundeliegende physikalische Verbindung sowie das angewendete Protokoll für die Ladekommunikation zwischen Fahrzeug und Ladeinfrastruktur. Während GB/T 27930 und CHAdeMO auf dem Fahrzeugbus CAN basieren, setzt der CCS-2-Standard auf ein Ethernet-basiertes Protokoll namens Powerline Communication (PLC).

Verschiedene Stecker für AC- und DC-Laden

Eine weitere Herausforderung bei der Standardisierung ist die Spezifikation eines genormten Steckers. Im Gegensatz zum mittlerweile weit verbreiteten Automotive-Ethernet-Standard 100BASE-T1 kommt für die Powerline-Kommunikation keine verdrillte Zweidrahtleitung zum Einsatz. Stattdessen verwendet das sogenannte Control Pilot (CP) Signal eine Eindrahtleitung. Die Stecker und die Inlets für das AC- und DC-Laden enthalten immer drei identische Pins:

  • Control Pilot (CP): Pulsweitenmoduliertes Signal mit aufmoduliertem höherem Protokoll
  • Protective Earth (PE): Schutzleiter sowie Masse des CP
  • Proximity Pin oder Plug Present (PP): Ein analoges Signal, welches das Vorhandensein eines Steckers im Inlet bestätigt sowie die Stromtragfähigkeit des Kabels kodiert (relevant für AC-Laden)

Dazu kommen weitere Pins für das Laden mit Wechselstrom (AC) und das schnellere Gleichstromladen (DC). Der für Europa relevante CCS-2-Stecker (Bild 2) enthält folgende Pins:

  • Für das Laden mittels Wechselstrom: Control Pilot, Protective Earth, Proximity Pin, L1, L2, L3, GND
  • Für das Laden mittels Gleichstrom: Control Pilot, Protective Earth, Proximity Pin, DC+, DC-

Alternativ kann auch ein L-Leiter sowie die Masse (GND) des AC-Steckers zum Gleichstromladen mit geringer Leistung genutzt werden.

Die High-Level-Protokolle für die Kommunikation sind beim AC- als auch beim DC-Laden identisch. Es ist somit möglich, ein Fahrzeug sowohl mit Wechselstrom als auch mit Gleichstrom zu laden, solange der Standard auch vom Fahrzeug unterstützt wird. Aufgrund der Geometrie des Steckers ist ein falsches Laden nicht möglich. Dies wird zudem auf Protokollebene verhindert.

Freigabe zum Laden: Das Control Pilot Signal

Die eigentliche Freigabe zum Laden gibt das CP-Signal (Bild 3). Als Trägersignal dient das 1 kHz PWM-Signal. Im korrekten Duty Cycle verweist es auf die High-Level-Ethernet-Kommunikation, welche als aufmoduliertes Signal in der Bandbreite von 3 – 30 MHz über die Powerline realisiert ist.

Doch warum ist dieser aufwändige Mechanismus für das Laden überhaupt notwendig? Das Fahrzeug muss sich initial an der Ladesäule identifizieren, um Informationen über Bezahlinformation, Ladezustand, die Art des Ladens und die Stromabnahme auszutauschen. Sobald die Authentifizierung erfolgreich abgeschlossen ist, bezieht das Fahrzeug (Master) von der Ladesäule (Slave) Strom.

Der Tankstandard für Autos mit Verbrennungsmotor ist durch die unterschiedlichen Zapfhahndurchmesser gegeben. Für das Laden von Elektrofahrzeugen muss der Fahrer heute aber noch die „richtige“ Ladesäule suchen. Um die Interoperabilität zwischen dem Fahrzeug und der Infrastruktur sicherzustellen, gibt es in Europa und Nord-Amerika die Standards ISO/IEC 15118, DIN 70121und SAE J2847/2. Sie spezifizieren die Ladekommunikation und sorgen für einen korrekten Datenaustausch vor dem eigentlichen Ladevorgang.

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