Dieser Computer sagt voraus, ob Startups Erfolg haben werden

Redakteur: Julia Moßner

Computer können den Erfolg von Investitionen und Märkten inzwischen verblüffend genau einschätzen. Beispielsweise sollte eine künstliche Intelligenz den Erfolg von Start-ups voraussagen und übertraf alle Erwartungen.

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KI vs. Analystenmeinung: Computer können den Erfolg von Startups inzwischen verblüffend gut voraussagen
KI vs. Analystenmeinung: Computer können den Erfolg von Startups inzwischen verblüffend gut voraussagen
(Bild: pixabay / CC0 )

Das World Economic Forum berichtet in seinem Blog von einem interessanten Experiment: 2009 forderte Ira Sager vom Bloomberg Businessweek Magazin den CEO Bob Goodson des Startups Quid AI, heraus: "Programmieren Sie einen Computer, der 50 unbekannte Unternehmen auswählt, die in Zukunft die Welt rocken werden!" (Anm.: Quid ist ein 2010 gegründetes Software-Unternehmen, das auf textbasierte Datenanalyse spezialisiert ist.)

Bis zu diesem Zeitpunkt war – und das ist immer noch der Fall – die Auswahl von vielversprechenden Startups geprägt von der Überzeugung der Venture Capital (VC)-Branche, dass Maschinen bei der Identifizierung von erfolgreichen Startups keine Rolle spielen. Ironischerweise ist es die VC-Welt, die die Entwicklung von Computern maßgeblich vorangetrieben hat. Und dennoch ist dies eine der letzten Branchen, in denen diese bei der Entscheidungsfindung eingesetzt werden.

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Knapp acht Jahre später wurden die Ergebnisse noch einmal geprüft, um zu sehen, wie "die Goodson-KI-Maschine" abgeschnitten hat. Die Ergebnisse überraschten sogar Quid-CEO Goodson selbst: Evernote, Spotify, Etsy, Zynga, Palantir, Cloudera, OPOWER – die Liste bekannter Namen lässt sich noch fortsetzen. Sie enthielt nicht nur Namen, die in der Öffentlichkeit und bei Branchenführern bekannt sind, sondern auch eher unbekannte High-Performer wie Ibibo, das im Jahr 2009 als es ausgewählt wurde, gerade einmal acht Angestellte hatte. Inzwischen ist Ibibo die größte Hotelbuchungsseite in Indien mit einem Jahresumsatz von rund 2 Milliarden Dollar. Zwanzig Prozent der 50 gelisteten Unternehmen haben inzwischen Milliarden-Bewertungen erreicht.

Um diese Ergebnisse korrekt bewerten zu können, wandte sich Bloomberg Businessweek an einen der führenden US-amerikanischen Dachfonds (er wurde aus Compliance-Gründen nicht genannt), der seit den 1980er Jahren in VC-Fonds investiert. Dieser Dachfonds besitzt eine der umfangreichsten Datenbanken über die Performance von Unternehmen und von VC-Portfolios.

Die Auswertung ergab Folgendes: wenn die 50 ausgewählten Unternehmen ein VC-Portfolio abgebildet hätten, wäre dies der zweitbeste Fonds aller Zeiten gewesen. Es gibt nur einen einzigen Fonds, dessen Portfolio sich jemals besser entwickelt hat, nämlich ein Fonds, der die Dotcom-Blase erfolgreich durchlief und die meisten seiner Investitionen Ende der 90er Jahre tätigte. Allerdings muss angemerkt werden, dass man in diesem hypothetischen Portfolio, das Goodson für das Experiment zusammenstellte, jedes Unternehmen ausgewählt werden konnte. In der Regel müssen VCs pitchen, um in ein Unternehmen investieren zu können.

Zweite Runde des Experiments

Vor kurzem wurde Quid-CEO Goodson nun von Bloomberg gebeten, das Kunststück zu wiederholen. Goodson ging folgendermaßen vor: zunächst wurden 50.000 private Unternehmen ausgewählt, die in den vergangenen drei Jahren Risikokapital/Venture Capital erhalten hatten. Die Daten dafür stammten vom Market Intelligence-Anbieter S&P Capital IQ und Crunchbase. Sie reichten bis September 2016.

Aus diesen Daten wurde eine Netzwerkkarte erstellt die zeigt, in welchen Bereichen Investitionen getätigt wurden. Der Fokus lag auf Technologieunternehmen, die in den letzten 18 Monaten gegründet wurden. Gleichzeitig wurde eine thematische Netzwerkkarte erstellt, die auf den Investitionen von fünf der weltweit größten VC-Firmen der letzten zwei Jahre basiert.

Aus diesen beiden Netzwerkkarten konnten dann zunächst die vielversprechendsten Themenbereiche für zukünftige Investitionen ermittelt werden:

  • Augmented Reality wird weitaus bedeutender werden als Virtual Reality, weil AR die Art und Weise prägen wird, wie wir die Welt um uns herum betrachten und mit ihr interagieren.
  • Bilderkennungs- und Kartierungstechnologien werden in der gesamten Automobilindustrie eingesetzt werden, weil sich die etablierten Automobilhersteller mit selbstfahrenden Fahrzeuge auseinandersetzen müssen.
  • Die Probleme im Zusammenhang mit der Sicherheit von Online-Anwendungen und der Betrugserkennung werden sich weiter verschärfen, was erhebliche Auswirkungen auf Behörden und Unternehmen sowie auf den mobilen und elektronischen Handel haben wird.
  • Die Digitalisierung der Bildung erfolgt über praktische Anwendungen, die in das bestehende Bildungssystem integriert werden, einschließlich Lehr- und Schulungsmaterialien sowie Spiele.
  • Drohnen setzen sich zunehmend im kommerziellen Umfeld durch. Unternehmen, die hier an der Spitze stehen, sollten in Zukunft auch in Consumer-Anwendungen expandieren.
  • Der Bereich Smart Home wird durch erschwingliche Consumerprodukte wie intelligente Beleuchtung oder Lautsprecher, Sicherheits- und Gartensensoren wachsen.
  • Mit zunehmender Integration von Technologie in die menschliche Umgebung sind neue Anwendungen für intelligente Sensoren möglich, z.B. über Schweißanalyse, Ohrstöpsel, Augenauthentifizierung und Hologramme.
  • Der Bereich E-Commerce bietet nach wie vor ein großes Wachstumspotential, da der Kauf von Mode immer mobiler und sozialer wird.
  • Künstliche Intelligenz macht die Wissensarbeit – und hier insbesondere den Umgang mit Daten oder Informationen – effizienter, einschließlich Bots. Das wirkt sich auch auf die Arbeit in Vertrieb und Marketing aus.
  • Die Raumfahrttechnologie entwickelt sich in Bereichen wie dem Antrieb von Weltraumsatelliten und dem Bergbau weiter.

Die ursprüngliche Unternehmensliste wurde dann von Goodson nach folgenden Kriterien gefiltert und entsprechend gekürzt:

  • nur Unternehmen mit mindestens zwei Finanzierungsrunden
  • möglichst wenige Tage zwischen den einzelnen Runden
  • seit der letzten Finanzierungsrunde sind möglichst wenige Tage vergangen
  • Gründer, die zuvor zusammengearbeitet hatten, haben jetzt einen dritten externen Partner hinzugewonnen.

Da Bloomberg auf der Suche nach Unternehmen war, von denen die Öffentlichkeit bisher wenig gehört hatte, wurde die Ergebnisliste weiter verfeinert, so dass sie kein Unternehmen enthielt, das vor 2011 gegründet wurde (tatsächlich wurden 12 Unternehmen 2015 oder 2016 gegründet). Die Mehrheit hatte verhältnismäßig geringe Beträge an VC-Finanzierungsmitteln erzielt, wobei 31 Unternehmen weniger als 10 Millionen Dollar erzielten. Biotech-Unternehmen wurden auf Wunsch von Bloomberg ausgeschlossen.

Nicht anders als bisher: Wie bei jedem komplexen Problem beruht das gewonnene Ergebnis auch hier auf einer Mischung aus menschlicher Intuition und künstlicher Intelligenz. Die endgültige Entscheidung wurde von Goodson getroffen, basierend auf der Summe aller Ergebnisse der künstlichen Intelligenz von Quid.

Die Ergebnisse im Überblick

Die folgende Grafik zeigt die komplette Liste der 50 weltweit vielversprechendsten Startups, basierend auf den Analysen der Quid-KI.

Diese Ergebnisse sind bemerkenswert und sollen daher näher betrachtet werden: Zu den Investoren von EyeVerify gehören die VCs Sprint (früher Sprint Nextel) und Wells Fargo, die jeweils an einer 6-Millionen-Dollar-Runde teilgenommen haben. Dies ist ein Hinweis dafür, dass Augenauthentifizierungen inzwischen sowohl für Telekommunikations-Anbieter als auch für Banken von echtem Interesse ist. Tatsächlich wurde EyeVerify kurz nach der Auswahl durch Goodson für angeblich 100 Millionen Dollar von Alibaba's Zahlungsverkehrsabteilung, Ant Financial, erworben, um das Vertrauen der Nutzer und die Sicherheit bei Finanztransaktionen zu erhöhen.

BlueLine Grid wird mit 6 Millionen Dollar von Motorola und www.iqt.org unterstützt, was darauf hindeutet, dass ihre sichere mobile Lösung bald von US-Regierungsstellen genutzt werden wird, wird, da In-Q-Tel das Unternehmen aus dem Haushalt der CIA gespeist wird.

Außerdem ist bemerkenswert, dass Frauen in dieser neuen Innovationswelle zunehmend präsent sind (wenn auch immer noch unterrepräsentiert). Bei mindestens einem Drittel der gelisteten Unternehmen, stehen Gründerinnen oder Geschäftsführerinnen an der Spitze.

Goodson fand wichtige US-Innovatoren weit über das Silicon Valley hinaus. Die Firmen sitzen z.B. in Denver, Cincinnati, Seattle, Los Angeles, Kansas City (Bundesstaat Missouri) oder Fairfax und Arlington (Bundesstaat Virginia). Tatsächlich stammen weniger als 50 Prozent der ausgewählten Unternehmen aus dem Silicon Valley.

Die übrigen 20 Prozent der ausgewählten Unternehmen sind über die ganze Welt verteilt. Sie stammen unter anderem aus Israel, Indien, China, Deutschland, Schweden, Finnland, Spanien und Großbritannien.

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